Hoffnung ist der Wille zur Zukunft. Diese Hoffnung muss wieder Atem bekommen.

Die Mitglieder der Stadtwerkstatt beobachten auch in Kamenz ein zunehmendes Auseinanderdriften der Stadtgesellschaft während der Corona-Pandemie. Der Verein Stadtwerkstatt Kamenz-Bürgerwiese e.V. steht für Solidarität statt Ausgrenzung, für Aufklärung statt Vernebelung, für Analyse statt Infotainment, für Tiefenschärfe statt Oberflächenpolitur. Und vor allem stehen wir für Widerspruch statt Anpassung und für Auseinandersetzung statt Belehrung. Das sind unsere Leitsätze, so haben wir es für uns formuliert, so steht es auf unserer Homepage. Demokratie, Menschenrechte, soziale und gesellschaftliche Teilhabe sind nichts, was einfach da ist. Sie müssen täglich erstritten und verteidigt werden. Seit nunmehr über einem Jahr ist das sehr schwierig für uns. Diskussionen, kommunalpolitische Stammtische und Podiumsgespräche können nicht stattfinden. Das Coronavirus macht eine bisher unbekannte, ansteckende, und in vielen Fällen tödliche Erkrankung zum alles beherrschenden Thema. Das Virus erschüttert das Verhältnis zu Expertinnen und Experten. Auch für uns ist es schwierig, den vielen Einschätzungen zu Corona zu folgen. Politisches Handeln bedeutet immer, komplexe Sachverhalte verständlich zu machen – gerade in einer Demokratie. Das erfordert Diskussionen und Abwägungen. Dogmatikerinnen und Dogmatiker haben es einfacher: Sie verkünden Wahrheiten, die keine sind. Doch man kann daran glauben. Unversöhnlich stehen sich die Lager gegenüber, jeder (t)wittert im anderen den Hysteriker, Leugner oder Idioten. Die Lautstärke, mit der sich Minderheiten in den sozialen Netzwerken bemerkbar machen können, nützt jenen, die als «Querdenker» die Kraft einer Opposition vorspiegeln. Eine laute Minderheit versucht, die demokratisch-parlamentarische Ordnung lächerlich zu machen, und verbirgt kaum ihre Verachtung des Parlamentarismus. Extreme Meinungen spalten die Gesellschaft, bestehende Ängste und Unsicherheiten werden missbraucht, indem man sie schürt. Die Wortführer der sogenannten Coronaleugner sagen, sie würden die Ängste der Menschen ernst nehmen, aber sie tun es nicht wirklich. Wer sich gegen die täglichen Versuche, den Ort der Mitte und den

Bereich des Sagbaren nach rechts zu verschieben, lautstark zur Wehr setzt, ist nicht deswegen links. Wer sich dagegen verwahrt, verteidigt die demokratische Verfassung.Es ist an der Zeit, ein Loblied auf jene Mehrheit anzustimmen, die sich nur dadurch bemerkbar macht, dass sie das tut, was nach dem derzeitigen Stand des Wissens getan werden muss. Wir leben in einer Zeit nie erlebter Demokratisierung der Öffentlichkeit. Jeder Mensch mit einem Internetanschluss hat die Möglichkeit, Sender und Empfänger zu sein, in Eigenregie Texte, Podcasts oder Videos zu veröffentlichen und somit am großen Gesellschaftsgespräch teilzunehmen. Hoffnung ist keine Ansicht der gegenwärtigen Situation, sondern eine Lebenskraft, eine Kraft, den Kopf hochzuhalten und miteinander die Probleme anzugehen. Diese Hoffnung für die Zeit in und nach Corona wünschen wir uns auch in Kamenz: Dass die Menschen wieder miteinander reden können, dass das angstbesetzte Gegeneinander der Reaktionen auf Corona einem zuhörenden und diskutierenden Miteinander Platz macht. Wir freuen uns auf eine interessante Zeit in den neuen Räumen der Stadtwerkstatt, weil dort der Raum für den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs auch in Kamenz gegeben ist.